Resolution der Vollversammlung des KLRÖ zu Erfordernissen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation
Motivenbericht
In Österreich ist unter tatkräftiger Mitwirkung der Sozialpartner ein soziales Netz geknüpft worden, das auch im Ausland bewundert wird. Trotzdem geraten gerade durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie immer mehr Menschen unvermutet in bedrohliche finanzielle Nöte. Der Katholische Laienrat und einzelne seiner Mitgliedsorganisationen beschäftigen sich schon längere Zeit mit den Fragen „Arbeit – Einkommen – Auskommen“, „Grundsicherung – Basiseinkommen – Grundeinkommen“ samt dafür vorliegenden Modellen sowie mit den Lücken und zu wenig bedarfsorientierten und treffsicheren Maßnahmen des weithin erfolgreichen österreichischen Sozialsystems. Die Überlegungen der Katholischen Soziallehre fordern aus Sicht des KLRÖ insbesondere dazu auf, für gerechtere Zugangsbedingungen zu Arbeit und für ein menschenwürdiges Leben derjenigen Menschen zu sorgen, die inmitten der modernen Entwicklungen, im Speziellen der Digitalisierung, nicht ausreichend qualifiziert sind bzw. aus anderen Gründen nicht an der Arbeitswelt teilnehmen können. Durch die Pandemie und ihre erheblichen wirtschaftlichen Folgen sind bestehende Probleme massiv verstärkt und verschärft worden. Deshalb sieht sich der KLRÖ veranlasst, jetzt den folgenden Appell an die österreichische Gesellschaft und die Bundesregierung zu richten.
Appell des KLRÖ
Der KLRÖ appelliert eindringlich an die Bundesregierung, unverzüglich einen breiten und tiefen Diskurs zur Frage „Arbeitsmarkt, Existenzsicherung und Menschenrecht auf sinnstiftende Entfaltungsmöglichkeit durch Teilhabe“ in Angriff zu nehmen. Die Federführung könnte einvernehmlich beim Arbeitsminister und beim Sozialminister liegen. In diesen Prozess sollen Politik, Wirtschaft (vertreten durch die Sozialpartner), Repräsentant/inn/en der Zivilgesellschaft (einschließlich der Kirchen) und die Wissenschaft (Volkswirtschaft, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften inklusive Verhaltensökonomie, Sozialmedizin) eingebunden werden. Als Grundlage sollen sowohl empirische Zahlen, Daten und Fakten als auch nachhaltige Konzepte für Gesellschaft und Wirtschaft dienen.
Zumindest folgende Themenkomplexe sollen in einem Tatsachenbericht umfassend aufgearbeitet und dokumentiert werden:
- Szenariotrichter (best case und worst case) für den Arbeitsmarkt über einen Zeithorizont von fünf Jahren (Beschäftigte nach den drei Kategorien akademische oder gleichwertige Qualifikation, Facharbeiter/innen, ungelernte Arbeitnehmer/innen)
- Szenariotrichter wie oben zur Einkommensstreuung (inklusive Absinken unter die Armutsschwelle)
- Kosten/Nutzenvergleich der österreichischen Systeme im Bildungs- und Ausbildungsbereich in ihrem Beitrag zur Lösung sozialer Fragen
- Kosten/Nutzenvergleich des österreichischen Sozialsystems mit besonderem Augenmerk auf das Schließen von Lücken im Hinblick auf die verschiedenen Formen temporärer und dauerhafter Armutsgefährdung
- Globaler Benchmark zu einschlägigen internationalen „weichen“ Faktoren (z. B. Verteilungsgerechtigkeit)
Alle zur Teilnahme berufenen Institutionen sollen ihre Vision/Mission für die Arbeitswelt der Zukunft, gestützt auf reale Szenarien, einbringen. Diese sind in einer wissenschaftlichen Synopse gesamthaft zusammenzuführen.
In einer Parlamentarischen Enquete könnten Expert/inn/en und die politischen Parteien zur Synopse Stellung nehmen. Daraus sollten nach Erfordernis zielgerichtete gesetzliche Regelungen erwachsen.